Ökumene und Evangelische Allianz – 2. Teil

Die Spaltung der Kirche

Kaiser Konstantin

Konstantin war ein römischer General, der 300 Jahre nach Jesus Christus lebte. Er war in Britannien stationiert. Als seine Soldaten hörten, dass der Kaiser in Rom gestorben war, sagten sie zu Konstantin: „Du sollst Kaiser werden!“ Sie marschierten mit ihm nach Rom.

Auf dem Weg hatte Konstantin einen Traum. Er sah ein Kreuz im Himmel und hörte eine Stimme, die ihm sagte: „In diesem Zeichen sollst du siegen!“ Er ließ seinen Soldaten das Kreuzeszeichen auf ihre Fahne bringen, gewann die Schlacht und wurde zum Kaiser gekrönt.

Konstantin, der Kaiser von Rom, war Christ geworden. Damals war das Christentum verboten, Christen wurden immer wieder wegen ihres Glaubens verfolgt. Nun erklärte Konstantin: „Es ist nicht mehr verboten, Christ zu sein.“

Das ökumenische Konzil

Konstantin rief die Führer der christlichen Kirche zu einem Konzil (Beratung) zusammen. Es war das erste Mal in der Geschichte, dass Christen aus der ganzen Welt zusammenkommen konnten. Deshalb nennt man es „ökumenisches Konzil“, von dem griechischen Wort Ökumene, die bewohnte Welt.

Damals gab es einen Mann namens Arius. Er lehrte, Jesus Christus sei nicht Gott, sondern ein Geschöpf. Das Konzil sagte: „Arius ist ein Irrlehrer. Jesus ist wahrer Mensch und wahrer Gott.“

Das Christentum wird zur Staatsreligion

50 Jahre später erklärte Konstantins Nachfolger: „Das Christentum soll jetzt Staatsreligion werden. Es ist verboten, ein Heide zu sein.“ Die Folge blieb nicht aus: die Menschen strömten in die Kirche. Die meisten waren überhaupt nicht wiedergeboren. Sie wurden getauft und hießen nun „Christen“.

Viele Gläubige waren nicht damit einverstanden. „Die Welt ist in die Kirche hineingekommen!“ sagten sie. „Die Kirche ist voller getaufte Heiden!“. Manche zogen sich ins Kloster zurück. Dort versuchten sie ein frommes, heiliges Leben fern von der Welt zu führen. Andere bildeten Gemeinschaften, die nur wiedergeborene Christen aufnahmen.

Der Verfall der Kirche

Im Mittelalter kamen durch die Jahrhunderte hindurch viele falsche Vorstellungen in die Kirche hinein. Die Leute achteten nicht nur auf die Bibel sondern auch auf menschliche Tradition und die Lehre der Kirche. Sie meinten, dass man nicht nur durch Gottes Gnade und den Glauben an Jesus errettet wird, sondern auch durch fromme Leistungen wie zum Beispiel Fasten, Spenden und Pilgerfahrten. Wer zu wenig getan hatte, konnte den Rest nach dem Tod im Fegefeuer ableisten.

In den Kirchen wurden die Taufbecken immer kleiner, weil die Menschen immer früher getauft wurden. Schließlich begann man, Säuglinge zu taufen. Das Herrenmahl wurde zur Messe. Die Kirche lehrte, dass Brot und Wein zum Leib und Blut Jesu Christi verwandelt werden ist und dass die Gläubigen inh durch Essen der Hostie aufnehmen. Bei jeder Messe wird Jesus noch einmal geopfert, deshalb darf nur ein ordinierter Priester die Messe feiern.

Die Leute glaubten, Jesus könne die Bitten seiner Mutter nicht abschlagen, deshalb fingen sie an, zu Maria zu beten. Man gab ihr immer höhere Titel wie „Gottesmutter“, „Himmelskönigin“ und Miterlöserin mit Christus. Die Kirche lehrte, dass sie ohne Sünde geboren wurde, ewig eine Jungfrau blieb und nach dem Tod leiblich in den Himmel fuhr.

Im Neuen Testament hatte jede Gemeinde mehrere Leiter. Sie wurden Presbyter (Älteste) oder Bischof (Aufseher) genannt. Mit der Zeit wurde einer der Chef. Er wurde Bischof genannt, die anderen Presbyter. Später galten die Bischöfe der Stadt mehr als die Presbyter der Dörfer. Noch später gab es in den Großstädten Erzbischöfe und, über allen, in der Hauptstadt der Bischof von Rom, der Papst.

Die Kirchen im Osten des römischen Reiches erkannten den Papst als Oberhaupt aller Christen nicht an. Es gab 1054 nach Christus eine Spaltung. Die Kirche im Westen nannte sich katholisch, d.h. universal, allumfassend, die Kirche im Osten nannte sich Orthodox, d.h. rechtgläubig. Bis heute behaupten beide, die einzig richtige Kirche Jesu Christi zu sein. Die Kirche mischte sich auch in die Politik. Ein Papst ließ den Kaiser drei Tage barfuß im Schnee stehen, um zu zeigen, dass er der Stärkerer war. Adelige kauften sich Ämter und verschenkten sie ihren Verwandten.

Wer nicht einverstanden war, wurde von der Kirche verfolgt und oft auf dem Scheiterhaufen bei lebendigen Leibe verbrannt.

Die Reformation

Vor fast 500 Jahren wagte ein deutscher Mönch, die Missstände in der Kirche zu anzuprangern. Sein Name war Martin Luther. Durch seinen Protest (deshalb spricht man von Protestanten) entstand eine Bewegung, die man Reformation nennt. Diese Christen wurden evangelisch genannt, weil sie zum biblischen Evangelium zurückkehren wollten.

Luther betonte vier Punkte:

  1. Die Heilige Schrift allein ist Grundlage des Glaubens, nicht Tradition noch die Lehre der Kirche.
  2. Durch Christus allein wird man errettet, nicht durch die Kirche noch durch Maria und die Heiligen.
  3. Gott rettet uns Menschen allein aus Gnade, nicht weil wir es durch fromme Leistung verdient hätten.
  4. Wir werden Christen allein durch Glauben, nicht durch die Kirche oder die Taufe, nicht durch die Eltern und die Erziehung.
Die Täufer

Der Stadtrat von Zürich in der Schweiz bat Ulrich Zwingli, die Kirche zu reformieren. Einige Gläubige fragten ihn: „Wie stehst du zur Glaubenstaufe?“ Zwingli war in der Klemme, denn die Glaubenstaufe passt nicht zur Volkskirche. Aber die Stadtväter sagten: „Wenn du die Volkskirche abschaffst, werden wir wieder katholisch!” So entstanden die ersten Freikirchen. Heute heißen sie Taufgesinnte, Baptisten oder Mennoniten.

Pietisten

Hundert Jahre nach Martin Luther war die Evangelische Kirche in Deutschland in einem elenden Zustand. Sie hatte die rechte Lehre, aber geistlich sie war tot. Einige Prediger erkannten, dass viele Leute in der Kirche einfach nicht wiedergeboren waren. Sie sammelten die Gläubigen in kleinen Kreisen, um miteinander Gottes Wort zu studieren, zu beten und Gemeinschaft zu haben. So entstanden die Pietisten und die Landeskirchlichen Gemeinschaften.

Erweckungen und Denominationen

Vor 300 Jahren sah die Kirche in England katastrophal aus. Die Pfarrer verbrachten mehr Zeit mit Kartenspiel und auf der Jagd als für Verkündigung und Seelsorge. Arbeiter und Bauern blieben der Kirche fern. Aber gläubige Pfarrer wie die Brüder John und Charles Wesley und ihr Freund George Whitfield predigten das Evangelium. Sie wurden Methodisten genannt. Viele Menschen kamen zum Glauben, es gab eine große Erweckung. Leider lehnten die meisten Pfarrer die Erweckung ab, die Methodisten waren gezwungen, eine eigene Kirche zu gründen.

In der Geschichte der christlichen Kirche ist so etwas immer wieder passiert. Deshalb gibt es heute nicht eine christliche Kirche sondern viele unterschiedliche Gruppen, die man Konfessionen oder Denominationen nennt.

Die Sehnsucht nach Einheit

Vor 200 Jahren gab es in Europa große Veränderungen. In Frankreich gab es die Revolution. In Deutschland gab es einen Befreiungskrieg gegen Napoleon. Die Menschen waren verunsichert. Viele Christen dachten: „Vielleicht kommt Jesus Christus bald wieder!“ Deshalb wollten sie das Evangelium in der ganzen Welt verkündigen. Sie waren auch besorgt um die Zersplitterung der Kirche. Was dann geschah, lesen wir in der nächsten Folge.

Michael Ponsford
mponsford@t-online.de