Der Barmherzige Samariter
Lukas 10, 25-37
Von Jerusalem nach Jericho
In der brütenden Mittagshitze verließ unser klimatisierter Reisebus Jericho, über 400 Meter unter dem Meeresspiegel im Jordantal, und kletterte mühsam hinauf nach Jerusalem, mehr als 800 Meter über dem Meeresspiegel. Unser Busfahrer musste gut aufpassen, dass er nicht von der schmalen Straße mit ihren vielen Schlingen abkommt. Links und rechts gibt es nichts als Steinwüste: Fels, Sand und Geröll, kein Baum und nur dürre Sträucher. In der tiefen Kluft neben der Straße fließt der Wadi Kleft, ein Bach, aus dem Reisende früherer Zeiten das lebensnotwendige Wasser holten. Wir erinnern uns: diesen Weg ist der Herr Jesus zu Fuß gegangen! Und in dieser Landschaft spielt sich die Geschichte vom Barmherzige Samariter, vielleicht das bekannteste der Gleichnisse unseres Herrn.
Ein Reisende ging der steilen, steinigen Straße von Jerusalem nach Jericho hinab. In der einsamen Wüste wurde er von Räubern überfallen. Sie ließen ihn schwer verletzt liegen. Etwas später kamen ein Priester und ein Levit (Diakon) die gleiche Straße hinab. Sie sahen den Mann liegen aber sie haben Angst selber überfallen zu werden. Statt zu helfen, eilen sie an die Stelle vorbei. Dann kam ein Samariter. Er verband dem verletzten Mann die Wunden. Er hob ihn auf seinen Esel und brachte ihn in die Herberge. Dort befahl er ihn dem Wirt an und bezahlte ihm das Zimmer.
Die Bedeutung dieses Gleichnisses scheint einfach zu sein. Es handelt sich um eine Erzählung mit Vorbild. In der Geschichte hilft der barmherzig Samariter jemandem in Not. Wir sollten seinem Beispiel folgen. Wenn wir jemanden in Not sehen, sollen wir helfen. Das ist schon richtig, aber in der Geschichte steckt mehr drin. Wir wollen sie uns näher anschauen.
Eine falsche Auslegung
Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter ist oft falsch ausgelegt worden. Der Kirchenvater Augustinus lebte 300 Jahre nach Jesus Christus. Er verstand das Gleichnis als Bild des Heils in Jesus Christus. Der Reisende ist ein Bild von uns Menschen. Er verließ Jerusalem, die Gottesstadt, und ging hinab nach der verfluchten Stadt Jericho. Wir Menschen haben alle Gott den Rücken gekehrt und gehen unseren eigenen Weg. Der Reisende fiel unter die Räuber. Wir Menschen sind in die Hände Satans gefallen. Der Reisende war halb tot. Wir auch. Einerseits leben wir, doch sagt die heilige Schrift, wir sind tot in unserer Sünde (Epheser 2,1).
Der barmherzige Samariter ist ein Bild vom Herrn Jesus Christus. Der Samariter riskierte sein Leben, um den Reisenden zu helfen. Jesus gab sein Leben am Kreuz, um uns zu erretten. Das Öl und der Wein, die der Samariter in die Wunden goss, sind Bilder für das Blut Jesu Christi und den Heiligen Geist. Der Esel soll zeigen, dass wir uns selber nicht erretten können. Wir müssen von Gottes Gnade getragen werden. Die Herberge soll ein Bild der Gemeinde sein, der Wirt vom Apostel Paulus. Die zwei Groschen bedeuten entweder Altes und Neues Testament oder Taufe und Herrenmahl. Am Schluss sagt der Samariter, er werde wiederkommen. Das hat Jesus Christus auch gesagt.
Wir müssen sehr deutlich sagen: diese Auslegung des Gleichnisses ist falsch. Aber auch von falschen Auslegungen können wir manchmal etwas lernen. Wir merken: die Wahrheiten, die Augustinus im Gleichnis fand, sind richtig. Wir könnten dafür viele Bibelstellen finden. Aber das ist nicht, was der Herr Jesus mit diesem Gleichnis sagen wollte.
Die Überraschung
Wir vergessen leicht etwas anderes. Als Jesus das Gleichnis zum ersten Mal erzählte, hatte es einen Überraschungseffekt. Heute denken wir, der Priester und der Levit waren schlechte Menschen. Sie haben dem Reisenden nicht geholfen. Der Samariter war ein guter Mensch. Er hat ja geholfen. Aber damals, als Jesus das Gleichnis zum ersten Mal erzählte, dachten sein Hörer genau das Gegenteil! Für die Juden waren der Priester und der Levit fromme Menschen. Von den Samaritern hatten sie aber keine gute Meinung. Die Samariter waren ein Mischvolk. Sie wurden von den Juden missachtet, wie oft die Ausländer heute in Deutschland missachtet werden.
Als meine Frau Ingrid und ich im Juni in Israel waren, haben wir die Nachkommen der Samariter getroffen. Es sind heut 630 von ihnen, die in Israel wohnen. Sie haben einen Hohenpriester. Er hat uns einen Vortrag gehalten. Er sagte, er ist der wahre Nachkommen vom Hohenpriester Aaron, dem Bruder von Mose. Für die Juden stimmt das einfach nicht. Deshalb erklärt Johannes in seinem Evangelium (Kapitel 4 Vers 9): „Die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern.“
Barmherzige Samariter im 21.Jahrhundert – eine erfundene Geschichte
Fritz Schönhuber ist Vorsitzender der Republikanischen Partei. Er möchte am liebsten alle Ausländer nach Hause schicken. Stellen wir uns vor, er hat einen schweren Unfall auf der Autobahn nach München. Er liegt bewusstlos im Wagen, dicker Rauch qualmt aus der Motorhaube. Ein Kardinal der katholischen Kirche fährt im Dienstmercedes vorbei. Sein Fahrer fragt, „Soll ich anhalten, Eminenz?“ Der Kardinal schaut auf seine Uhr: „Nein, sonst verpasse ich den Flug nach Rom und meine Audienz mit dem heiligen Vater.“ Wenige Minuten später fährt der Evangelischer Landesbischof von Bayern vorbei. „Ich würde gern helfen, aber ich muss eine Predigt halten in der Kirche!“ Etwas später kommt ein alter Ford Transit mit einigen Kurden, alle Mitglieder der verbotenen PKK. Sie halten an, holen den bewusstlosen Schönhuber aus dem Wrack, bringen ihn ins nächste Krankenhaus und rufen die ADAC an, dass sie das Auto abholen.
Bist du schockiert, wenn du das liest? So waren die Leute schockiert, die zuhörten, als Jesus das Gleichnis zum ersten Mal erzählte. Aber Jesus hat dieses Gleichnis nicht nur gegen Ausländerfeindlichkeit erzählt. Er wollte damit sagen: fromm sein ist nicht genug. Die Juden damals dachten: Wir gehören zu Gottesvolk. Die Samariter gehören nicht dazu. Heute denken viele Menschen: Ich bin Christ. Ich gehöre der Kirche an, ich bin getauft und konfirmiert.
Ein neues Herz
Jemand fragte Jesus: „Was muss ich tun, um ewiges Leben zu haben?“ Jesus fragte zurück: „Was steht in deiner Bibel?“ „Ich soll Gott lieben vom ganzen Herzen, und meinen Nächsten wie mich selbst,“ antwortete der Mann. „Dann tu das,“ sagte Jesus. „Aber wer ist mein Nachbar?“ fragte der Mann nach. Dann hat Jesus das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählt.
Wir suchen Regeln. Wir wollen wissen: Was muss ich tun? Wieviel muss ich tun? Reicht es, wenn ich jeden Tag eine gute Tat tue? Reicht es, wenn ich einmal im Monat in die Kirche gehe? Der Sänger Manfred Siebald hat ein schönes Lied gedichtet .Dort heißt es:
Meinst du wirklich, es genügt, wenn man nur ganz selten lügt?
Gott gibt uns keine Regeln. Er will uns ein neues Herz geben Er will aus uns neue Menschen machen, die anderen gerne helfen, wie der barmherzige Samariter es tat. Willst du Gott nicht dein Leben geben? Willst du dein Herz für Jesus öffnen? Dann erlebst du, wie er dich verändert und dich zu einem barmherzigen Samariter macht.
Michael Ponsford
mponsford@t-online.de